Vermächtnis und Vermächtnisse im Erbrecht

Hier erläutern wir Ihnen das Vermächtnisrecht im deutschen Erbrecht gem. §§ 1939, 2147 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und bringen Ihnen den Unterschied zwischen einer Erbeinsetzung, also der der Einsetzung eines oder mehreren Erben und der Anordnung von einem Vermächtnis oder mehreren Vermächtnissen in einer letztwilligen Verfügung nahe.

 

Ferner gehen wir auf die Wahlrecht von Pflichtteilsberechtigten in Bezug auf ihnen zugewendete Vermächtnisse ein und machen wir den Unterschied zwischen einer Teilungsanordnung im Gegensatz zu einem Vorausvermächtnis deutlich.

 

Im Übrigen verdeutlichen wir die verschiedenen Arten von Vermächtnissen, insbesondere das Verschaffungsvermächtnis und gehen auf das Vermächtniskürzungsrecht sowie die zu beachtende Verjährung von Vermächtnisansprüchen ein.


Alles rund um das Vermächtnis


Abgrenzung einer Erbeinsetzung von einem Vermächtnis und Auslegung

Vielfach findet sich in Testamenten von mit erbrechtlichen Regelungen nicht vertrauten oder rechtsunkundigen Erblassern die Formulierung:
 
"Mein Testament

Ich vermache meinen gesamten Nachlass dem /der ... (namentlich genannten Person).

… (Unterschrift)"
 
Derartigen Erblassern ist bei der Errichtung ihrer letztwilligen Verfügung augenscheinlich der das deutsche Erbrecht beherrschende und wichtige Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) gem. § 1922 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht bekannt gewesen. Nach diesem wesentlichen Prinzip geht mit dem durch den Tod der Person des Erblassers eintretenden Erbfall, dessen gesamtes Vermögen als Erbschaft auf eine oder mehrere zu Erben berufene Personen über. Demgegenüber kennzeichnet ein Vermächtnis gem. § 1939 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), dass die Vermächtnisnehmer gerade nicht zu Erben des Erblassers berufen sein sollen, sondern dass ihnen nur ein bestimmter Vermögensvorteil, nämlich der Vermächtnisgegenstand zugewendet werden soll, welchen sie gegenüber den Erben einfordern können.

In dem oben genannten Beispiel eines Testaments, wie es regelmäßig vorkommt, hat der Erblasser die Bestimmung eines Erben durch eine vorzunehmende Erbeinsetzung schlichtweg übersehen und hat stattdessen mit der Verwendung der Worte „vermache ich“ nur ein Vermächtnis errichtet. Mangels einer vom Erblasser im Rahmen seiner Testierfreiheit getroffenen Erbeinsetzung würde danach gesetzliche Erbfolge eintreten, wonach die gesetzlichen Regelungen bestimmen, wer zum Erben des Verstorbenen berufen sein soll.

Allerdings wird das vorstehend zitierte Testament der Auslegung nach dem wirklichen Willen des Erblassers (Erblasserwillen) zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bedürfen. Nach § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist nämlich der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks festzuhalten. Da der Verstorbene hier seinen gesamten Nachlass nach seinem Tod allein der von ihm namentlich bezeichneten Person zuwenden wollte, kann der Wille des Erblassers dahingehend ausgelegt werden, dass er diese Person zu seinem Alleinerben berufen wollte, ungeachtet der fehlerhaften und auf ein bloßes Vermächtnis hindeutenden Wortwahl im Testament.


Die wichtigsten Arten von Vermächtnissen

Im erbrechtlichen Bereich werden u.a. folgende verschiedene Arten von Vermächtnissen unterschieden:

  • Vorausvermächtnis gem. § 2150 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
  • Wahlvermächtnis gem. § 2154 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
  • Gattungsvermächtnis gem. § 2155 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
  • Zweckvermächtnis gem. § 2156 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
  • Verschaffungsvermächtnis gem. §§ 2170, 2169 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
  • Untervermächtnis gem. § 2186 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
  • Ersatzvermächtnis gem. § 2190 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
  • Vorvermächtnis und Nachvermächtnis gem. § 2191 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
  • Quotenvermächtnis (Vermächtnis auf einen Bruchteil des Nachlasses)
  • Barvermächtnis (Vermächtnis auf einen bestimmten Geldbetrag)
  • Sachvermächtnis (Vermächtnis auf einen bestimmten Nachlassgegenstand)
  • Stückvermächtnis (Vermächtnis auf einen Nachlassgegenstand nach Art und Güte)
  • Erlassvermächtnis (Vermächtnis auf Erlass von Schulden)
  • Rückvermächtnis (Vermächtnis mit bedingter Rückübertragungsverpflichtung)

Vorausvermächtnis - Vermächtnis zugunsten eines Erben

Als Vorausvermächtnis gem. § 2150 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wird ein Vermächtnis bezeichnet, welches der Erblasser einer solchen Person zusätzlich zuwendet, welche bereits zum Erben oder Miterben berufen wurde, ohne dass damit die auf diesen entfallende Erbquote tangiert wird. Damit wird der mit einem zusätzlichen Vermächtnis Bedachte gegenüber anderen Miterben wertmäßig begünstigt.


Wahlvermächtnis

Ein Vermächtnis stellt sich dann als Wahlvermächtnis gem. § 2154 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dar, wenn der Vermächtnisnehmer wahlweise nur entweder den einen oder den anderen von mehreren Nachlassgegenständen erhalten soll. Die Auswahl kann hierbei vom Erblasser auf einen Dritten übertragen werden.


Gattungsvermächtnis

Von einem Gattungsvermächtnis gem. § 2155 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wird dann gesprochen, wenn durch ein Vermächtnis dem Vermächtnisnehmer nicht ein bestimmten Nachlassgegenstand zugewendet wird, sondern der zugewendete Gegenstand nur der Gattung nach bestimmt ist. In diesen Fällen steht dem Vermächtnisnehmer nur ein an seinen Verhältnissen orientierter Vermächtnisgegenstand zu.


Zweckvermächtnis

Bei einem Vermächtnis handelt es sich dann um ein Zweckvermächtnis gem. § 2156 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wenn sich der Vermächtnisgegenstand nach einem vom Erblasser vorgegebenen Zweck bestimmt. Die Bestimmung des Vermächtnisgegenstandes kann hierbei entweder dem Erben oder auch einem Dritten überlassen werden.


Verschaffungsvermächtnis

Bei einem Verschaffungsvermächtnis gem. §§ 2170, 2169 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wird dem Vermächtnisnehmer vom Erblasser durch ein Vermächtnis ein Gegenstand zugewendet, der sich nicht (mehr) im Nachlassvermögen des Erblassers zum Zeitpunkt des Erbfalls befindet. Der mit dem Vermächtnis beschwerte Erbe muss sich diesen Gegenstand dann erst selbst auf seine Kosten verschaffen, um das Vermächtnis erfüllen zu können.


Untervermächtnis

Bei einem Vermächtnis besteht dann ein Untervermächtnis gem. § 2186 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wenn der Vermächtnisnehmer vom Erblasser mit einem Untervermächtnis zu Gunsten eines Dritten beschwert wurde, welches er bei Annahme des Vermächtnisses dann erfüllen muss. Der häufigste Fall hierfür ist die Zuwendung einer Immobilie an einen Vermächtnisnehmer durch ein Vermächtnis, der jedoch damit beschwert wurde, einem Dritten ein Wohnungsrecht oder Nießbrauchsrecht an der vermächtnisweise überlassenen Immobilie einzuräumen.


Ersatzvermächtnis

Ein Ersatzvermächtnis gem. § 2190 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu einem angeordneten Vermächtnis liegt dann vor, wenn der Erblasser einen Dritten ersatzweise als Vermächtnisnehmer für den Fall bestimmt, dass der zunächst vorrangig mit einem Vermächtnis Bedachte wegfällt. Sollte der erstrangig bedachte Vermächtnisnehmer das Vermächtnis ausschlagen oder den Erbfall selbst gar nicht mehr erleben, soll dann der Ersatzvermächtnisnehmer den zugewendeten Vermächtnisgegenstand an dessen Stelle erhalten.


Vorvermächtnis und Nachvermächtnis

Bei einem als Vorvermächtnis und Nachvermächtnis gem. § 2191 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ausgestalteten Vermächtnis handelt es sich um eine besondere Form eines Untervermächtnisses, bei welchem der Vermächtnisnehmer entweder aufschiebend bedingt oder befristet zugunsten eines Dritten mit einem Untervermächtnis beschwert wird. Ein derartiges Vermächtnis wird typischerweise beim Behindertentestament oder bei Vermächtnissen zugunsten etwaig überschuldeter Abkömmlinge angeordnet.


Unterschied zwischen Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis

Durch eine Teilungsanordnung gem. § 2048 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) weist der Erblasser einzelnen Erben bestimmte Nachlassgegenstände zu, welche sich diese jedoch auf ihren Erbteil anrechnen lassen müssen. Beim als Vorausvermächtnisse ausgestalteten Vermächtnissen gem. § 2150 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erhalten einzelne Erben hingegen bestimmte Gegenstände aus dem Nachlass zusätzlich zu ihrem Erbteil zugewiesen, ohne dass diese auf deren jeweilige Erbteil angerechnet werden.


Ausschlagung von Vermächtnissen und Wahlrechte von Pflichtteilsberechtigten

Ein Vermächtnisnehmer muss ein ihm vom Erblasser zugewendetes Vermächtnis nicht annehmen, sondern kann dieses ausschlagen; die Annahme oder Ausschlagung eines Vermächtnisses erfolgt gem. § 2180 Abs.2 S.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) durch Erklärung gegenüber dem jeweiligen Beschwerten.

 

Sofern einem Pflichtteilsberechtigten ein Vermächtnis zugewendet wurde, stehen ihm gem. § 2307 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) mehrere Wahlrechte zu. Der Pflichtteilsberechtigte kann entweder das Vermächtnis ausschlagen und den vollen Pflichtteil verlangen oder er kann das Vermächtnis annehmen und sich lediglich damit begnügen oder er nimmt das Vermächtnis an und verlangt den etwaig daneben noch bestehenden Zusatz- bzw. Rest-Pflichtteil, falls das Vermächtnis hinter dem Pflichtteil zurückbleibt, bei dessen Berechnung allerdings Beschränkungen und Beschwerungen außer Betracht bleiben.


Recht des Erben auf Kürzung von Vermächtnissen

Nach der Regelung in § 2318 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann der Erbe die Erfüllung von ihm auferlegten Vermächtnissen insoweit verweigern und die Vermächtnisse anteilig kürzen, als dass die Pflichtteilslast von ihm und zugleich auch von den Vermächtnisnehmern verhältnismäßig getragen wird.

 

Ist der Vermächtnisnehmer selbst pflichtteilsberechtigt, ist eine Kürzung von seinem Vermächtnis allerdings nur insoweit in zulässiger Weise möglich, als dass ihm mindestens noch der Pflichtteil verbleibt. Entsprechendes gilt auch für den pflichtteilsberechtigten Erben selbst

Insoweit gilt es jedoch zu beachten, dass das Kürzungsrecht des Erben vom Erblasser in der von ihm errichteten letztwilligen Verfügung gem. § 2324 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ausgeschlossen worden sein kann.


Verjährung von Ansprüchen aus einem Vermächtnis

Ein Anspruch aus einem Vermächtnis unterliegt der Verjährung. Die Verjährungsfrist für Vermächtnisansprüche beträgt gem. § 195 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) drei Jahre.

 

Die Verjährungsfrist beginnt gem. § 199 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) mit dem Schluss des Jahres, in dem der Vermächtnisnehmer von dem Erbfall und dem vom Erblasser zu seinen Gunsten errichteten Vermächtnis Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Längstens verjähren Vermächtnisansprüche jedoch gem. § 199 Abs.3a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.