Inhalt zu den Infos
1. Grundsätzliches zur Pflichtteilsvermeidung im Erbrecht
2. Pflichtteilsvermeidung durch Verwertung und Beiseiteschaffen des Nachlasses zu Lebzeiten
3. Pflichtteilsvermeidung durch lebzeitige Zuwendungen
4. Pflichtteilsvermeidung durch Pflichtteilsstrafklausel
5. Pflichtteilsvermeidung durch Erweiterung des Kreises von Pflichtteilsberechtigten
6. Herbeiführung der Anwendbarkeit ausländischen Erbrechts zur Pflichtteilsvermeidung - Rechtswahl
Hier geben wir Ihnen alle Infos zu den im deutschen Erbrecht bestehenden Möglichkeiten zur Pflichtteilsvermeidung, um Ihnen geeignete Strategien zur Vermeidung von Pflichtteilsrechten aufzuzeigen.
Regelmäßig verfolgen Erblasser die Intension, den oder die von ihnen eingesetzten Erben vor der Inanspruchnahme durch Pflichtteilsberechtigte zu bewahren, um beispielsweise zu vermeiden, dass von diesen der Nachlass verwertet werden muss, um einen Pflichtteil zu befriedigen. Insoweit stellt sich die Frage nach Pflichtteilsvermeidungsstrategien, nämlich danach, ob und welche Möglichkeiten zu einer Pflichtteilsvermeidung bestehen, also die Geltendmachung von Pflichtteilsrechten bereits im Vorfeld zu vermeiden oder ordentliche Pflichtteilsansprüche und Ansprüche auf Pflichtteilsergänzung zumindest herabzusetzen, nachdem es ungeachtet der vorstehend dargestellten Ausnahmen bei Eintritt des Erbfalls in der Regel nicht möglich ist, die Geltendmachung von Pflichtteilsrechten vollständig zu vermeiden. Hierzu gibt es z.B. die nachfolgende dargestellten Strategien zur Pflichtteilsvermeidung, welche nicht als abschließend zu betrachten sind.
Da sich die Höhe des Pflichtteils nach der Höhe des beim Erbfall vorhandenen Nachlasses richtet, gilt der Grundsatz "Wo kein Nachlass, da auch kein Pflichtteil". Der Erblasser kann also zur
Vermeidung des Entstehens von Pflichtteilsansprüchen der Pflichtteilsberechtigten bei seinem Tod bereits im Vorfeld zu Lebzeiten zur Pflichtteilsvermeidung versuchen, sein Vermögen systematisch
beiseite zu schaffen oder zu verwerten, nämlich z.B. Immobilien zu veräußern.
Allerdings bleibt bei der lebzeitigen Verwertung von Vermögensgegenständen der Verwertungserlös als Surrogat im Vermögen des Erblassers; hinzukommt, dass eine Verwertung von Vermögen unter deren
tatsächlichen Wert eine gemischte Schenkung darstellt und damit zwar Pflichtteilsansprüche verringert, diese jedoch geeignet ist, Pflichtteilsergänzungsansprüche der Pflichtteilsberechtigten
auszulösen.
Auch das Beiseiteschaffen von Vermögen, also z.B. das Verschaffen von Vermögenswerte an einen den Pflichtteilsberechtigten unbekannten Ort, lässt die Zugehörigkeit des beiseite geschafften
Vermögens zum Nachlass des Erblassers grundsätzlich unberührt; dies stellt allerdings im Erbfall den Pflichtteilsberechtigte regelmäßig vor die Schwierigkeit, den Verbleib und
die Existenz des beiseite geschafften Vermögens aufzuklären, sofern der ihm gegenüber zur Auskunft verpflichtete Erbe diesbezüglich keine Aufklärung schafft.
Der Erblasser ist zu dessen Lebzeiten in der Regel völlig frei darin, über sein Vermögen zu verfügen. Er kann also sein Vermögen oder Teile davon auf Dritte unentgeltlich im Wege
von Schenkungen übertragen. Dadurch werden im Erbfall sowohl der Nachlass des Erblassers, wie auch die Pflichtteilsansprüche von Pflichtteilsberechtigten geschmälert.
Allerdings lösen die Schenkungen regelmäßig Pflichtteilsergänzungsansprüche aus, wonach Pflichtteilsberechtigte den fiktiven Pflichtteil von dem verschenkten Vermögen entweder vom Erben oder dem
Beschenkten anstelle des durch die Schenkung verringerten Pflichtteils einfordern können. Gleichwohl kann dies wegen der Abschmelzung, wonach der Wert der unentgeltlichen Zuwendung mit jedem
Jahr, das zwischen dem Zeitpunkt der Zuwendung und dem Erbfall liegt um 1/10 weniger berücksichtigt wird und bei mehr als 10 Jahren sogar vollständig unberücksichtigt bleibt, zu
einer erheblichen Verringerung oder gar mit dem völligen Wegfall von Pflichtteilsrechten zur Pflichtteilsvermeidung führen.
Insoweit gilt es jedoch unbedingt darauf zu achten, dass die zehnjährige Abschmelzungsfrist auch tatsächlich mit der Zuwendung zu laufen beginnt. Dies ist nämlich bei Zuwendungen
an Ehegatten gem. § 2325 Abs.3 S.3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und bei vorbehaltenen Rechten des Erblassers am Schenkungsgegenstand, wie z.B. bei einem vorbehaltenen, lebenslangen und
unentgeltlichen Nießbrauchsrecht oder Wohnungsrecht, nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung i.d.R. nicht gegeben.
Ungeachtet des Vorerwähnten kann der Erblassers bei lebzeitigen Zuwendungen seines Vermögens oder Teilen davon an Dritte zur Pflichtteilsvermeidung das Entstehen von
Pflichtteilsergänzungsansprüchen dadurch zu vermeiden versuchen, indem er das Vermögen nicht verschenkt, sondern eine angemessene Gegenleistung vereinbart. Überträgt er beispielsweise sein
Immobilienvermögen an Dritte gegen Zahlung einer lebenslangen monatlichen Leibrente oder gegen Gewährung eines lebenslangen unentgeltlichen Wohnungsrechts oder
Nießbrauchsrechts oder einer Verpflichtung zur lebenslangen Wart und Pflege bzw. der Verpflichtung zur Erbringung von Pflegeleistungen und stehen diese Gegenleistungen im
gleichen Wertverhältnis wie der Wert die übertragenen Immobilien, liegt weder eine Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösende Vollschenkung, noch eine gemischte Schenkung vor und der Nachlass
sowie der Pflichtteil wurden geschmälert.
Der Erblasser kann den Anfall von Pflichtteils- und etwaigen Pflichtteilsergänzungsansprüchen zur Pflichtteilsvermeidung durch lebzeitige unentgeltlich Zuwendungen unter Pflichtteilsverzicht im Erbfall auch dadurch verhindern, indem er den Pflichtteilsberechtigten bereits zu seinen Lebzeiten Teile seines Vermögens zuwendet und die Pflichtteilsberechtigten im Gegenzug auf ihr Erbrecht und/oder Pflichtteilsrecht verzichten. Ein derartiger Verzicht bedarf allerdings zur Wirksamkeit gem. § 2348 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) der notariellen Beurkundung.
Will ein Erblasser Pflichtteilsansprüche im Erbfall vermeiden oder zumindest schmälern, kann der den Pflichtteilsberechtigten zur Pflichtteilsvermeidung zu seinen Lebzeiten auch Vermögenteile übertragen und dies zum Zeitpunkt der Zuwendung mit ausdrücklichen Anordnung verbinden, dass sich die Pflichtteilsberechtigten deren Wert auf ihren Pflichtteilsanspruch anrechnen lassen müssen. § 2315 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestimmt nämlich, dass sich der Pflichtteilsberechtigte auf den Pflichtteil das anrechnen zu lassen hat, was ihm vom Erblasser durch Rechtsgeschäft unter Lebenden mit der Bestimmung zugewendet worden ist, dass es auf den Pflichtteil angerechnet werden soll. Bei der Pflichtteilsberechnung im Erbfall wird dann Wert der Zuwendung dem Nachlass gem. § 2315 Abs.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zunächst hinzugerechnet.
Durch die geschickte Gestaltung einer letztwilligen Verfügung kann der Erblasser zur Pflichtteilsvermeidung zumindest versuchen, die Pflichtteilsberechtigten bei seinem Tod von der Geltendmachung
ihrer Pflichtteilrechte gegen den Erben abzuhalten, indem er für den Fall der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen erbrechtliche Nachteile anordnet. So können beispielsweise Ehegatten,
welche ein gemeinschaftlicher Ehegattentestament in der typischen Form eines sog. "Berliner Testaments" errichten, in welchem sich die Ehegatten beim Tod des Erstversterbenden wechselseitig zu
Alleinerben einsetzen und nach dem Tod des Letztversterbenden die Abkömmlinge gemeinsam zu gleichen Teilen zu Schlusserben berufen, im Zuge einer einfachen Pflichtteilsstrafklausel bestimmen,
dass derjenige Abkömmling, welcher nach dem Tod des Erstversterbenden gegen den Willen des längstlebenden Elternteils seinen Pflichtteil geltend macht, von der Erbfolge nach dem Ableben des
Längstlebenden ausgeschlossen ist und ebenfalls nur den Pflichtteil erhält.
Neben den einfachen Pflichtteilsstrafklauseln zur Pflichtteilsvermeidung gibt es auch noch andere gängige Strafklauseln, mit deren Hilfe man in einem Testament der Geltendmachung
von Pflichtteilsrechten begegnen kann. Bei der sog. "Jastrow‘schen Formel" findet gegenüber einfachen Pflichtteilsstrafklauseln eine zusätzliche Verschärfung dadurch statt, indem
darüber hinaus bestimmt wird, dass diejenigen Abkömmlinge, die nach dem erstversterbenden Elternteil auf die Geltendmachung ihres Pflichtteils verzichten, zusätzlich zu ihrem Erbteil nach dem Tod
des Längstlebenden noch ein Vermächtnis in Höhe ihres gesetzlichen Erbteils nach dem Erstversterbenden erhalten. Der seinen Pflichtteil geltend machende Abkömmling wird hierdurch in seinem
Pflichtteil nach dem Tod des Längstlebenden noch weiter benachteiligt, da dessen Nachlass, woraus sich der Pflichtteil bestimmt, um die gestundeten Vermächtnisse erheblich vermindert wird.
Eine der weiteren Möglichkeiten von Erblassern zur Pflichtteilsvermeidung, um den Pflichtteil einzelner Pflichtteilsberechtigte zu verringern, ist es, den Kreis der
Pflichtteilsberechtigten zu Lebzeiten rechtzeitig zu erweitern. Hierzu kann sich der Erblasser entweder, z.B. nach dem Vorversterben seines früheren Ehegatten wieder,
verheiraten oder dritte Personen adoptieren. Dadurch kommt es im Erbfall zu einer Verringerung der Pflichtteilsquoten der bisherigen
Pflichtteilsberechtigten.
Hat beispielsweise ein verwitweter Erblasser nur einen leiblichen Abkömmling, wäre dessen Pflichtteil die Hälfte des Nachlasses (1 : 2). Heiratet der Erblasser nunmehr aber nochmals im
gesetzlichen Güterstand und adoptiert zusätzlich noch eine Person, verringert sich der Pflichtteil des ursprünglich einzigen Abkömmlings auf 1/8 (1/4 : 2).
Schließlich kann zur Pflichtteilsvermeidung versucht werden, durch eine geschickte Verlegung des Wohnsitzes des Erblassers rechtzeitig vor dessen Tod in einen ausländischen Staat, dessen Erbrecht ein gesetzliches Pflichtteilsrecht nicht kennt, Pflichtteilsansprüche zu vermeiden. Staaten, die entweder überhaupt kein oder nur ein eingeschränktes Pflichtteilsrecht kennen, sind ohne Anspruch auf Vollständigkeit derzeit z.B.:
Um im Erbfall die ausschließliche Anwendbarkeit ausländischen Erbrechts, welches eine Pflichtteilsrecht nicht kennt, zur Pflichtteilsvermeidung sicher zu begründen, genügt nicht lediglich die Aufnahme einer Rechtswahlbestimmung in ein Testament, in welchem der Testierende die ausschließliche Anwendbarkeit eines ausländischen Erbrecht anordnet. Hierfür ist es nach den Regelungen der am 17.08.2015 in Kraft getretenen Europäische Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO) vielmehr erforderlich, dass der Erblasser in dem ausländischen Staat seinen letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort hatte, also dorthin dauerhaft seinen Wohnsitz verlegt und seinen Lebensmittelpunkt dort begründet hatte und weder ein Missbrauch noch eine Umgehung der Europäischen Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO) vorliegt.
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